VOLLBLUT

Ein zusammentreffen diverser Zufälle Anfang Januar 2001 gebar via internet die Idee mit ehemaligen Galoprennpferden von Berlin-Hoppegarten nach Bad Doberan zu reiten.

Einerseits um einer breiteren Öffentlichkeit zu demonstrieren das die Rasse Vollblut mehr drauf hat als nur zu rennen, andererseits des eigenen Spaßes willen.

Die Resonanz war rießig und überraschte sämtliche Beteiligten.

Die Rennbahn Bad Doberan lud uns zum 180jährigen Bestehen ein und gab uns ein würdiges Präsentationsforum. Diverse Zeitschriften berichteten und es war dem NDR eine Dokumentation unter der Rubrik "Tiere suchen ein Zuhause" wert.

Den Versuch dieses "Abenteuer" etwas anschaulicher zu machen folgt nun hier.

Wanderreiten

Da es ja keinerlei Erfahrungswerte gab, auf die wir zurückgreifen konnten, wir daher alle in diese Sache reingerutscht sind,  welche zu 100% durch unsere Begeisterung und dem unerschütterlichen Glauben an unsere Pferde getragen wurde, haben sie uns nicht nur nicht enttäuscht sondern ganz im Gegenteil! 

Wir sind als erste überhaupt mit ehemaligen Galopp-Rennpferden tagelang durch Brandenburg und MeckPomm geritten. Haben dadurch sämtlichen Vorurteilen und Gerüchten zum Trotz gezeigt, das diese Pferderasse mehr drauf hat als nur rennen und rumspinnen. 

Großen Dank gebührt dabei natürlich allen die geholfen haben dieses Vorhaben in die Realität umzusetzen. Keine Angst – jetzt kommt keine ewiglange Liste – aber einige will ich dennoch erwähnen: 

Die Rennbahn Hoppegarten, welche trotz anfänglichen Zauderns uns großzügig Unterkunft gewährte und die tollen Bildbände sponsorte, allen, denen welche uns bereitwillig und spontan auf der Strecke Obdach und Hilfe gewährten, den Besitzern von Abasko und Belenus, all denen im Hintergrund und natürlich nicht zu vergessen der Rennbahn Bad Doberan, welcher mit großem persönlichen Einsatz diese Präsentation erst möglich machte. 

Geplant war ein Sternritt von einmal Hoppegarten bei Berlin aus und von Schwerin aus nach Bad Doberan an der Ostsee. Die Strecke von Hoppegarten betrug ca 240km und sollte in 7  Tagen zu schaffen sein, von Schwerin war eine 3-tägige Route geplant. Kurz vor Bad Doberan sollten sich beide Truppen treffen und den letzten Tag dann gemeinsam zurücklegen.

Die Route

Auf der Rennbahn Bad Doberan fand am Abschlußrenntag auf dem Geläuf eine Parade aller teilnehmenden Pferde sowie – was einmalig in der Geschichte des Rennsports war – die Beteiligung von 2 ehemaligen deutschen Derbysiegern statt. Abasko, Sieger im Deutschen Derby der DDR und nun als Deckhengst in der Trakenerzucht erfolgreich,

sowie Belenus, Sieger in Hamburg Horn, und nun Deckhengst im Polnischen Nationalgestüt.

Leider kann hier nur die Erfahrungen von der Hoppegartener Route beigesteuert werden, da es von der anderen Strecke keinen "Berichterstatter“ gab.

Aber vielleicht fangen wir doch am ersten Tag an, wo die ersten Pferde in Hoppegarten eintreffen sollten. Avisiert war der Mittag ca. 12 Uhr. Da ich es bislang noch nie erlebt habe das man mit einem Pferdetransporter pünktlich ankommt, habe ich mir großzügig Zeit gelassen und war ganz überrascht, als ich merkte das die beiden Pferde schon im Stall standen. Konnte ja nicht wissen, daß das Zugfahrzeug ein großer BMW war und dementsprechend rasch vorwärtskam.

Wer aber denkt das die Pferde ko wären und froh sich am nächsten Tag nur etwas die Beine vertreten zu können, der irrt. Drinski der Schimmel wußte gleich was hier Sache war –Rennbahn! Und auch Mecox fühlte sich frisch und well.

Dann sollte es losgehen und alles was erst mal losging war Regen! Der totale Regen fing in der Nacht an und wollte einfach nicht aufhören. Ich versuchte noch panisch eine Fahrgelegenheit zu organisieren damit ich wenigstens trocken in Stall ankam – zwecklos.

Gnädigerweise hörte das schlimmste jedoch in dem Moment auf als ich losfuhr. Ob man das als gutes Zeichen deuten sollte? Am Gaststall sammelten sich schon einige Freunde, sowie Verwandte welche die Reisenden verabschiedeten als wollen wir in ein neues Land aufbrechen und eine gesunde Rückkehr sei nicht gewährt.

Einiges hin und her bis wir endlich loszogen. Zu Fuß am Logierhaus vorbei (ein trauriger Anblick), am Rennbahneingang und unter der S-Bahnbrücke durch. Im Wald wurde das erste mal aufgesessen und es ging Richtung Idea-Bahn mit einem Abstecher zum Graditzer Hof und kurzem Sightseeing dort.

Weiter Richtung Hönower Chaussee, wo eine Freundin mit Auto wartete um uns die "gefährliche“ Überquerung dieser Straße gefahrlos zu ermöglichen. Letzte bekannte Grüße und Winken bevor wir die große Neuenhagener Trainierbahn betraten und damit endgültig bekanntes Gelände verließen. 

Drinski mit Birgit, Mecox mit Sabine, Black&White mit Katrin und Lover Boy mit mir machten sich auf, neue unbekannte Welten und Dimensionen zu erforschen. 

Gleich am ersten Ritttag haben wir fast alle Probleme die auftreten können durchexerziert: Kurzkehrtwendungen zeitgleich aller Pferde aus dem Schritt in den Galopp als ein Reh vor unseren Pferden über das Feld sprang, -eine gute Übung für die Reiter um den Schenkelschluß zu testen- eine Unterführung, welche angekündigt aber nicht begehbar war, da genau dort zur Zeit die Autobahn verbreitert wurde. Jedoch super nette Bauarbeiter welche sich umgehend anboten mit dem Kran einen Gang freizuräumen. Trotzdem nicht machbar, dafür gab´s dann ein Stück weiter eine Brücke mit Landstraße über die Autobahn, loses Pferd beim grasen und erstes Erstaunen, das es im Wald keine Richtungsschilder an den Bäumen gab. 

Alles in allem jedoch ein entspannter erster Tag und von der Strecke auch bequem in 4 Stunden zu bewältigen. Ach ja, Kühe – ganz gefährlich; sowie ein sich fast geräuschlos sich nähernder Zug den wir zu spät bemerkten, jedoch dank Black&White’s plötzliches Rückwärtsgehen ohne Zusammenstoß. Die Temperaturen waren zum reiten angenehm und wir waren sogar froh, Pullover dabei zu haben. Ein paar kleine Schauer störten da auch nicht, ganz im Gegenteil, wurde da doch gleich Theorie und Praxis von Befestigungen der Regenjacken am Sattel getestet. Sehr zum allgemeinen Gelächter, als ich irgendwie das Loch für den Kopf nicht fand und zeitweise wild fuchtelnd blind auf dem Pferd saß, dem meine Verrenkungen auch leicht unheimlich wurden.

Das üben wir noch!!!

Zufrieden mit uns kamen wir in Helenenau an, wo unser Troßfahrzeug schon wartete. www.helenenau.de 

Eine einschneidende Erfahrung des ersten Tages war, wir hatten alle Durst, und zwar richtig. Daher bescherte es dem Quartier einen riesengroßen Minuspunkt in unserer Werteskala, als ausgerechnet am heutigen Tag die Gaststätte erst ab 17 Uhr öffnete. 

Die Pferde wurden versorgt und zufrieden festgestellt, keine angelaufenen Beine, keine Druckstellen, nur hungrig und leicht verwundert, warum es hier nicht wie zu Hause aussah.  

Geduscht und ausgeruht fielen wir dann in die Gaststätte ein und warteten auf Gabi und ihr Pferd Neuburg.  Es sollte jedoch fast 22 Uhr werden.

Endlich, ein Pferdehänger mit Hannoveraner Kennzeichen. Beim ausladen wollten wir es alle nicht glauben – der sollte schon 20 Jahre alt sein? Niemals! Der sah aus wie höchstens 12. 

So, erst mal Pferd versorgen, dann Auto abstellen und erneuter Ansturm auf die Kneipe. 

Von Anfang an gab es genügend Gesprächsstoff, gute Laune und viel Gelächter. Alle paßten gut zusammen, Pferde wie Menschen. Wenn ich daran denke, wie mir erfahrene Wanderreiter erzählten wie schwierig es wäre in der Gruppe zu reiten, jeweils genügend Abstand zwischen den Pferden zu halten damit nicht passiert usw.  usw. darüber konnten wir nur lachen. Unsere Pferde waren es ja als Rennpferde gewohnt im Lot zu gehen und wir überließen es ihnen, die Rangfolge und Abstände unter sich zu klären. Da Lover Boy den raumgreifendsten Schritt hatte und Mecox und Black & White anfangs klar auf ihre Plätze verwies, ergab sich alles von ganz alleine. In brenzlichen Situationen, wie Bahnschienen, klappernde Eisentore und vor allem Kühe war dann wieder Drinski derjenige welcher mutig voranging. 

Müde fielen wir ins Bett. Die Idee übrigens gleich morgens früh los zureiten, mittags zu Rasten und abends noch mal ein Stück zu reiten sollte sich rasch als unhaltbar erweisen. Bis wir gefrühstückt, gepackt, Pferde geputzt und gesattelt hatten wurde es meist doch 10 Uhr oder später. 

Mit der Reitlehrerin von Helenenau, welche sich sehr bemühte eine gewisse Ordnung in den großen Betrieb zu bringen, versuchten wir eine halbwegs reitbare Route über die Autobahn zu finden. Schwierig. Unsere ersten Probleme tauchten auf. Rein von den Kilometern her war es ein Katzensprung, aber.................... 

Selbst die Leute vor Ort reiten nie in diese Richtung in welche wir wollten. Und Karten dieser Gegend? Mehr als problematisch. Sie erzählte uns Geschichten, wie aus den Schildbürgerstreichen, was hier mit Forstbehörden ect schon los gewesen wäre. 

Nun zu fünft machten wir uns guten Mutes und Laune auf zur zweiten Etappe. 

Da die Entfernung bis zur Autobahnbrücke nur ca 15 Minuten sein sollte, stieg ich erst gar nicht auf – das sollte ich noch lange bereuen. Die Straße zog sich endlos und erwies sich letztendlich als stark befahrene 2-spurige Bundesstraße und Autobahnzubringer der sich locker über 4 km hinzog. Stöhn. PKWs und LKW brausten zum Teil in Abständen von nur ein paar cm an uns vorbei. Ich hatte ehrlich gesagt mehr Angst als unsere Pferde. Im Gänsemarsch, Drinski vorne, dann Lover Boy, Neuburg, Black & Withe und Mecox liefen die Pferde alle seelenruhig am Rande der Straße als hätten sie nie was anderes gemacht. Wir erregten erhebliches Aufsehen und viele Autofahrer hielten auch ausreichenden Abstand oder winkten uns nett zu. Die Brücke sollte kein Ende nehmen. Da wäre ein Beweis-Foto sehr toll gewesen, schade. 

Direkt über die Autobahn wurde es den Pferden doch etwas komisch, da meiner sich wunderte das da Autos unter ihm drunter durch fuhren, aber keiner zuckte auch nur mit den Ohren. Der erste Abzweig hinter der Brücke war unser. Endlich geschafft. Pferde loben und erst mal orientieren.

Wir waren in Zepenick gelandet, hier mußten wir laut Beschreibung durch den Ort und dann übers Feld Richtung Nordwesten und dann wären wir aus allem raus.

Grau, so grau ist alle Theorie. Ich weis nicht wie lange wir überhaupt hier rumliefen, mir kam es endlos vor, alles voller Vororthäuschen, keine Menschenseele zu sehen, niemand den man fragen konnte. Wir irrten herum wie Odysseus auf dem Meer und sind bestimmt mehrfach kilometerweit im Kreis gewandert.

Die Karte gab auch nichts her und unser Fahrer war nicht erreichbar. Verfluchtes Handynetz. Dieses Problem sollten wir noch öfter auf unserem Ritt haben, das mit der fehlenden Funknetzverbindung. Ein Kiosk sollte sich als guter Tip erweisen. Der Betreiber schien sich auszukennen und gab eine recht gute Beschreibung raus sowie einige Dosen Getränke. 

Also weiter, obwohl ich diesmal doch langsam etwas maulig wurde. Wieder stimmte die Wegbeschreibung mit den Örtlichkeiten nicht ganz überein. Merde! Um einen See rum und wieder Sackgasse! Der Sturm vorige Woche hatte beträchtliche Schäden hinterlassen, ein riesiger Baum wäre einen Tag früher nicht passierbar gewesen. Dafür trafen wir wiederum nette Arbeiter welche gerade mit entsprechenden Aufräumarbeiten beschäftigt waren. Wir sorgten so für eine längere Arbeitspause, während einer der Männer uns eine sehr gute Wegbeschreibung gab. Wieder weiter. Immer wieder Fragen und immer mehr das Gefühl, es stimmt nicht, so geht’s nicht. Die Stunden vergingen und jeder hatte heute bestimmt schon jeden anderen in der Gruppe verflucht und verteufelt und überhaupt.

Das Gefühl das nächste Etappenziel nicht mehr rechtzeitig zu erreichen machte sich breit. Es wurde nachmittag und immer noch nicht das Empfinden richtig vorangekommen zu sein. Wolken zogen auf. Es wurde immer später. Endlich aus dem Wald raus, ein Ort vor uns und dann das Schild Wandlitz! Merde! Völlig falsch. Wollte nur noch vom Pferd rutschen und im Straßengraben sterbend liegenbleiben. 

Wir waren nun schon über 6 Stunden unterwegs und auch die Pferde hätten sich längst eine Pause verdient. Dann sahen wir auf einmal an einem Feldweg einen Pferdetransporter stehen. Kurz entschlossen darauf zu, dahinter zeichneten sich die Umrisse eines ehemaligen LPG-Geländes ab um zu fragen ob wir kurz rasten dürften und vielleicht Futter für die Pferde kaufen könnten. Uns war schon klar das wir wohl in die Nacht hinein reiten müßten um die geplante Station doch noch zu erreichen. 

Alles sah eher unbewohnt aus, es wurde auch immer dunkler als Birgit abstieg und fragen ging. Hinter einem Fenster im Obergeschoß sahen wir zwei Gesichter und ich stellte mir die Szene vor, wie gleich jemand mit der Winchester rauskäme um uns zu vertreiben. Statt dessen kam Birgit zurück und rief, wir sollten hintenrum um den Hof gehen, da wäre der Eingang. Alles war egal, wir hintenrum und eine nette Frau machte uns den Stall auf. 

Umgehend alle rein und in dem Moment als wir aus den Sätteln glitten ging draußen ein Regenguß runter als solle die Welt untergehen. Ein kleiner aber sauberer trockenen Stall und wir wurden umgehend auf die Boxen verteilt, Stroh wurde eingestreut und Heu vom Boden runter geworfen. Natürlich könnten wir hierbleiben. Vor Erleichterung und Erschöpfung fielen einige auf den duftenden Heuhaufen der sich gerade im Stallgang gebildet hatte. Die ganze Familie des Hofes versammelte sich neugierig, Kaffe wurde gekocht und beim Getränkemarkt schnell Bier, Saft und Cola geholt. Wunderbar. 

Als alle Pferde versorgt und gefüttert waren riefen wir unsren Fahrer an, damit sie uns abhole, da wir wenigstens in Löwenberg, der eigentlich eingeplanten Station übernachten wollten. In der Zwischenzeit erzählten wir von unserem Ritt und es stellte sich lustigerweise heraus, das die Betreiber des Hofes ehemalige Berliner waren und im Grunde den Hof damals eigentlich gar nicht haben wollten sondern nur nach einer Datscha suchten.

Welch Glück für uns das dieses Vorhaben nicht umgesetzt wurde. So nach und nach renovierten sie Haus und Hof mit viel Sachverstand und wenig Mitteln und wollten zukünftig auch gerne Station für Wanderreiter anbieten. Können wir nur wärmstens weiterempfehlen. 

Ganz im Gegensatz zu einer eingetragenen Wanderreitstation, welche wir telefonisch nach Rastmöglichkeit, tränken und eventuelles Füttern der Pferde (gegen Endgeld) fragten, und diese ablehnten mit der Bemerkung, das störe die Stammgäste, fremde Pferde wollen sie nicht auf dem Hof. Zum Glück für den Betreiber stand der nicht vor mir. Bin ja schon für meine undiplomatische Art bekannt aber bei so was brennen mir dann doch sämtliche Sicherungen durch. 

Der Löwenberger Hof in Löwenberg, welch ein Unterschied zu Helenenau. Helenenau als preiswerte und gute Pension und der Löwenberger Hof als Hotel am Platze (mit dem entsprechenden Preisunterschied). 

Nach dem Duschen konnte ich mich zu nix mehr aufraffen, alle Knochen taten weh und weder die Aussicht auf Bier oder Essen ließen mich freiwillig nochmals aufstehen. 

Am nächsten Morgen berieten wir nun wie es weitergehen solle. Karten wurden studiert.

Es wurde die Idee beratschlagt, das Drinski und Lover Boy für zwei Tage jeweils die Hälfte der nächsten Strecken zusätzlich gehen sollten, die anderen mit dem Transporter eine Station überspringen würden und wir dann wieder im regulären Zeitplan wären. Birgit wollte unbedingt durch die MeckPomm Seenplatte reiten.......... Einen Versuch war es wert. 

Da wir die geplanten Stationen sowieso umstoßen mußten, versuchten wir nun per Handy umzudisponieren. Ausgesprochen schwierig bei dem schlechten Netzempfang. Auf jeden Fall wollten wir erst mal noch eine Nacht im Löwenberger Hof bleiben und sehen wie weit wir mit den Pferden kamen. 

Diese begrüßten uns am nächsten Morgen auf dem Annenhof, hatten schon Hafer und Heu bekommen und wir nahmen die Gelegenheit war, den Hof bei Tageslicht nun mal genauer anzusehen. Eine schöne und pferdegerechte Anlage. 

Alle Pferde hatten den gestrigen Tag ohne Probleme weggesteckt. Während unsereiner manchmal schon auf dem Zahnfleisch kroch (ja Birgit, ich weis – du nicht!!!), liefen alle frisch und mit ungebrochenen Vorwärtsdrang durch die Landschaft. 

Neuburg hatte gleich am ersten Tag deutlich gemacht, das er an der Spitze geht, sonst ende Banane. Ausgerechnet der älteste in der Gruppe zeigte die meiste Veranlagung zu Seitwärtsgängen und Hüpfern, sollte seinem Wunsch nicht entsprochen werden. Und Gabi meinte dazu nur immer wieder, das sie das überhaupt nicht versteht, da er zu Hause immer eher lahmarschig sei und kaum vorwärtsginge....na ja – wer‘s glaubt!!!

Damit übernahm dann Gabi automatisch mit der Karte in der Hand die Führung. Dahinter Lover Boy mit Drinki und Mecox mit Black&White. 

Und ab nun wurde es eigentlich so wie es ursprünglich gedacht war. Bis auf einige kleine Unsicherheiten wegen der Richtung, kamen wir gut vorwärts. Es gar herrliche Reitwege, Sandboden, wir konnten sogar eine längere Strecke traben. Die Laune war prächtig. So könnte es weitergehen bis zur Ostsee. Auch die Temperaturen wurden langsam wärmer. 

Tja, und dann wurden wir jäh gestoppt. Nennt sich Oder-Havel-Kanal. Aus die Maus! Wie laut Karte geplant kamen wir an der richtigen Stelle an, aber nix, niente, nada Brücke. Nur ein breites blaues Band tiefstes Wasser, links nix, rechts nix, nur Wasser. 

Ratlosigkeit. Versucht zu telefonieren, unser Fahrer meinte auch das da eine Brücke sein müsse, sie wäre doch auch selber drüber gefahren. Waren wir etwa schon wieder vom Weg abgekommen? Also gut, wir versuchten ein Stück weit flußaufwärts zu reiten in der Hoffnung hinter irgendeiner Biegung vielleicht eine Brücke erkennen zu können. Niet! Wieder zurück. Einige Bootsfahrer haben sich bestimmt mehr als nur gewundert über die winkenden Figuren mit Pferden am Ufer welche versuchten gegen den Schiffsmotorenlärm anzurufen um nach einer Brücke zu fragen. Die einzige Auskunft, keine Brücke auf 30km. Was nun? Nochmal in die andere Richtung, dabei mußten die Pferde über einen Wall klettern in welchem eine Eisenstange gefährlich raus ragte. Aber alles ging gut. Kein blindes hinterher stürmen, sondern gesittetes, einzelnes und ruhiges hinauf und hinabklettern ohne Blessuren.  Aber auch dieser Trip brachte keine neuen Erkenntnisse, wieder zurück und bald merkten wir wie uns unsere Pferde wohl für leicht verblödet hielten, als wir zum dritten mal die gleiche Strecke hin und her ritten. Nochmaliges Telefonieren ohne Ergebnis. Birgit schlug vor rüber zu schwimmen, und wäre an der anderen Seite die Böschung nicht so steil gewesen, hätten wir sie bestimmt festhalten müssen. Dafür machte sich ihr faltbarer Eimer aus den unergründlichen Tiefen ihrer Packtaschen nützlich. Während wir noch überlegten ob unsere Reise hier zu Ende sein sollte tränkten wir damit unsere Pferde. Typischerweise hielt Lover Boy den Eimer erst mal für ein gefährliches Monster, aber als Mecox vormachte das das Ding ok war, wollte er sogar zeitgleich seinen Kopf reinstecken. Einmal gelernt danach ohne Probleme. Sowieso war Mecox in dieser Beziehung der beste von allen. Der hatte als jüngster und erst 8 Wochen aus dem Rennstall raus einfach die Ruhe weg. Ein tolles Pferd. 

Schweren Herzens beschlossen wir nun zurück Richtung Oranienburg zu reiten wo in weiterer Entfernung eine Brücke zu erkennen war. Gar nicht so einfach, da uns auf dem Weg noch ein großer Hafen/Lagerplatz für Baustoffe im Weg lag. Zum Glück kamen wir heil da drum rum und ein noch größeres Glück das es noch vor 16 Uhr war, da sonst das ganze Gelände abgesperrt worden wäre, wie wir an der Schranke lasen, durch die wir hindurch mußten. Und dann waren wir wieder an einem Punkt wo wir eigentlich gar nicht hinwollten. Oranienburg! Die einzige Chance war durch die Stadt und auf der Bundesstraße über die große Schleusenbrücke. Im letzten Drittel bekam ich dann doch leichte Unruhe, da der Boden aus Betonplatten bestand und die Hufe der Pferde darauf laut und hohl klangen, auch meiner drehte den Kopf verdächtig zur Seite und sah ins Wasser. Wenn der da jetzt runterspringt, laß ich ihn los und dann kann er schwimmen - dachte ich nur. Drinski streifte mit dem Arsch kurz einen der dicken blauen Eisenpfeiler, erschrak sich kurz aber alles ging gut. Vertrauensvoll liefen alle Pferde hinter uns her.

Man hat aber bestimmt die Erschütterung gespürt als die Felsbrocken von unseren Herzen gefallen sind als wir alle heil auf der anderen Seite ankamen. Super dickes Lob an alle Vierbeiner! 

Und weiter gings. Ein neues Quartier war schon für uns ausgemacht. Durch das Verreiten hinter Bernau und die fehlende Brücke hatten wir nun fast 2 Tage verloren, so daß an ein Einhalten des ursprünglichen Zeitplanes gar nicht mehr zu denken war. Nächste Station wurde daher  Friedrichshagen. 

Das die Angaben auf den Karten und dem Hinweis von unserem Troß die nächste links oder rechts mit der Realität oft nicht übereinstimmte sorgte wiederum für einige kleinere Umwege aber alles in allem erreichten wir am Abend den vorgesehene Stall. Mitten im Wohngebiet gelegen, direkt an einer Straßenkreuzung. 

Erst mal die Pferde versorgend, brachten wir einige Unruhe und Chaos auf den Hof. Rasch tauchten auch einige Mädchen neugierig auf und sofort hatte Mecox und Black&White wieder die meisten Fans um sich versammelt, - wie überall wo wir hinkamen.

Die vorhandenen Boxen waren alle leer, jedoch zogen Birgit und ich es vor unsere Pferde über Nacht draußen auf dem Reitplatz zu lassen. Mit Litze teilten wir den Platz in 3 Teile und ließen Drinski, Mecox und Lover Boy dort frei. Für Mecox wurde der Zaun jedoch bald enger abgesteckt, da er die Rosen als fressbar einstufte und kaum davon abzuhalten war, den großen Strauch am Rande erheblich zu reduzieren. 

Black&White und Neuburg wurden in Boxen untergebracht, während wir den Gasthof gegenüber entdeckten und uns dort günstig durch die Speisekarte fra......upps, sorry, aßen. Durchs Fenster konnten wir Mecox Versuche an die Rosen zu kommen im Auge behalten. 

Die Besitzerin des Hofes, welche uns so freundlich und spontan aufgenommen hatte, erklärte das ihre eigenen Pferde auf Koppeln vor dem Ort verteilt wären und sie eines der wenigen noch existierenden Thüringschen Kaltblutpferde besäße. Diese Rasse steht auf der Roten Liste und es gibt wohl insgesamt nur noch 200 Stück davon.

Alleine das war für Birgit schon ein guter Grund vor Ort zu übernachten um gleich morgens sich dieses Pferd ansehen zu können. Wir holten also den VW-Bus aus Löwenberg. 

Wieder wurde es fast Mitternacht, bevor wir im Löwenberger Hof ankamen. Der nächste Morgen sollte unserer Fahrerin endgültig den Rest geben. Beim Frühstück stellte sie fest, ihr Rucksack war weg. Panik machte sich breit. Außer einer neuen Kamera waren darin wohl alle ihren wichtigen Papiere. Wir suchten zuerst alle Möglichkeiten im Hotel ab, vielleicht war der Rucksack ja irgendwie mit anderem Gepäck bei einem von uns im Zimmer gelandet. Das Auto wurde von innen nach außen gekehrt, kein Rucksack. Wir versuchten zu rekonstruieren was passiert sein könnte. Von irgendwo liegenlassen bis Diebstahl gingen wir alle Möglichkeiten durch. Auch Nachfragen beim Hotelservice sowie den vorigen Stationen brachten uns keinen Schritt weiter. Und dabei lief uns auch noch die Zeit davon. Bis 10 Uhr sollten unsere Pferde vom Hof sein, da dort auf dem Platz Reitstunden stattfinden sollten. Ihre Nerven lagen verständlicherweise blank. Panisch telefonierte sie bereits mit der Versicherung, versuchte via Handy jemanden als Troßbegleiter zu organisieren, da sie sofort nach Hause zurück wolle. Mit einem Wort; die Schnauze gestrichen voll. 

In kürzester Zeit fuhr ich mit dem VW-Bus zum Stall, wo wir schon dringlichst erwartet wurden. Lover Boy sollte nun von Birgit als Handpferd mitgenommen werden, und ich mußte nochmal ins Hotel zurück, die Rechnung begleichen, den Hänger ankoppeln und vielleicht erneut nach dem verschwundenen Gepäckstück suchen. Beim Betreten der Lobby sah ich einen Rucksack an der Wand lehnen – der Rucksack! Keiner konnte es sich erklären, aber alle waren sich einig, vor kurzem stand der noch nicht dort. Und nichts fehlte. Unglaublich. 

Später konnten wir nur folgendes schlußfolgern: vor lauter Übermüdung wurde der Rucksack am Vorabend dort kurz abgestellt und irgendwie vergessen. Die Reisegruppe, welche in der Nacht ankam, hat diesen dann wohl mitgenommen in der Annahme das er zu ihren Sachen gehöre und als morgens festgestellt wurde das dem nicht so sei, einfach wieder dort abgestellt. Auf alle Fälle war die Erleichterung groß. 

Manchmal ist es doch von Vorteil wenn man blond und Frau ist......vor dem Löwenberger Hof traf gerade eine größere Motorradtruppe ein, welche ich nett ansprach ob mir einer der Männer nicht beim ankoppeln des Pferdehängers helfen könne..????

Irgendwie funktioniert das doch immer. Kurz bedankt und ab ging‘s Richtung Pappelhof. Dort sollte ein Hof sein, wo wir kurz rasten könnten und ich wollte mich auch überzeugen, das es meinem Pferd gut ging. Irgendwie schon ein komisches Gefühl, ihn so aus der Hand zu geben.

Zum Thema Handpferd; darüber werden Bücher geschrieben und tausend teure Tips gegeben wie man ein Pferd als Handpferd ausbildet. Einige Westernreiter welche ich kenne, erzählten mir von wochenlangen Übungen bis das klappte mit ihren Quartern. 

Keine 5 Minuten nachdem wir mit den Autos am Pappelhof standen, kamen schon die Reiter. Gabi hatte inzwischen mein Pferd übernommen und zufrieden lief Lover Boy neben Neuburg her als hätte er nie was anderes gemacht. Sagenhaft. Es hatte überhaupt keine Probleme gegeben. 

Auf besagtem Hof war keiner zu Hause und richtig rasten wollte auch niemand. Konditioniert durch die letzten Tage wurde beschlossen umgehend weiter zu reiten. Nächste Station, das Gestüt zu den Fichten.

Eine wirklich schöne Anlage und knapp nachdem wir uns umgesehen und die Boxen kontrolliert hatten, trafen auch schon die Pferde ein. Ganz entspannt und mit guter Laune. 

Die Pferde wurden versorgt und konnten sich in großen hellen Boxen ausruhen, welche zur Hofseite hin halboffen waren.


Birgit und Gabi gestanden mir, das sie meinem Pferd nun beigebracht hatten, nie mehr Drinski oder Neuburg zu überholen. Jedesmal wenn er es versuchte hätten sie ihm eins über die Nase gegeben. So als Vorsichtsmaßnahme für das Veteranenrennen LOL. Ausgesprochen witzig! 

Auf dem Nachbarhof standen 2 mächtige schwarze Angus-Bullen. 1000,00 DM für denjenigen der sich traut die zwischen den Ohren zu kraulen. Verzichte gerne. Schon der Anblick des schmächtigen Stromdrahtes der Umzäunung ließ mich zittern. Wenn die mal losgehen.............besser nicht dran denken. 

Auf eine der großen Koppel entdeckten wir Turfwind, von Windwurf. Ebenfalls ein ehemaliger aus Hoppegarten, der wohl nicht schnell genug für die Bahn gewesen ist und nun hier ein glückliches Reitpferdeleben genießt.

Überhaupt, hier ließ es sich aushalten. Platz für 30 Pferde, rießige Weiden und Koppeln, und vor allem eine sachgerechte Versorgung. Hier wollen wir wieder mal hin. 

Dadurch das wir nun 2 Tage hinter der eigentlichen Planung hinterher hinkten, mußten wir nun ernsthaft beratschlagen wie es weitergehen sollte. 

Das Wetter wurde wärmer und bis eine vernünftige Entscheidung gefällt werden konnte versorgten wir unsere Pferde. Leider immer wieder von krampfhaften Lachanfällen unterbrochen, vor allem als Katrin ihr eigenes Pferd in einer fremden Box zu erkennen glaubte und sich ernsthaft wunderte das es schon Futter in der Krippe hatte...... Tut mir sehr leid aber alle standen draußen rum und warteten wann sie‘s bemerkt....... 

Wildes telefonieren begann, wobei sich rasch die miserable Funkverbindung bemerkbart machte. 

Hallo.....hallo........hallo........... Misttechnik. 

Es wurde entschieden die Pferde am nächsten Tag eine Strecke zu transportieren um die Zeit wieder aufzuholen. Leider konnte kein LKW für alle Pferde aufgetrieben werden, so daß 3 x gefahren werden mußte. 

In Klein-Nienhagen www.gutshofurlaub.de wurde eine neue günstige Unterkunft gefunden und Drinki und Mecox begaben sich als erste auf die Reise. Black&White wurde im Einzelhänger gefahren und Lover Boy sollte mit Neuburg zusammen verladen werden. Irgendwie hoffte ich auf die Bindung zwischen den beiden Pferden, aber umsonst. 

Es war schon 20 Uhr als Gabi mit dem Transporter vorfuhr. Neuburg machte sogar die meisten Schwierigkeiten, aber Lover Boy war einfach nicht zu bewegen in den engen Hänger zu gehen. 

So fuhr Gaby erst mal los, Lover Boy blieb auf dem Gestüt und ich mit einem Bekannten der zwischenzeitlich nachgekommen war wieder nach Berlin. Auf der Fahrt merkte ich dann das all meine Sachen in Gaby‘s VW-Bus waren und ich weder Klamotten noch Geld noch Wohnungsschlüssel noch sonst was dabei hatte. Toll!! 

Merkte auch schnell das ich ja noch nicht mal jemanden anrufen könne, da auch keine TelNummern, Adressbuch o.ä. da hatte. Noch besser. 

Aber zum Glück hatten meine Bekannten Internet und so versuchte ich am nächsten Tag darüber die Telefonnummer eine Freundin auszumachen. Sie verwies mich sogleich weiter an Steffi, welche bereits auf der Autobahn Richtung Ostsee unterwegs sei und diese mich sicher aufgabeln könne um nach Bad Doberan mitzunehmen. 

Und da sage noch einer das internet wäre zu nix nutze..... 

Klappte auch tatsächlich alles. Mit meinen verschwitzten Reitklamotten von vor 2 Tagen saß ich nun in einem schicken BMW Richtung Bad Doberan. Was für ein Abenteuer.

Währenddessen trafen vor Bad Doberan beide Reittruppen zusammen um die letzte Etappe gemeinsam zurückzulegen.



Alle Pferde haben dieses Abenteuer ohne Blessuren überstanden. Weder angelaufene Beine, noch Satteldruck  oder extremer Gewichtsverlust.. 

Zum Thema Futter, es wurde sehr großer Wert auf hochwertiges Futter gelegt. Im Schnitt wurden 10-15 Pfund pro Tag an Kraftfutter gerechnet, mal mehr mal weniger. 

Die Rasse Vollblut, seit Jahrhunderten auf Härte und Leistung gezüchtet hat ihrem Ruf alle Ehre gemacht und bewiesen das sie als Freizeitpartner mehr als geeignet sind. 

Wir verbrachten nun noch einige wunderschöne Tage an der Ostsee und wollen mit den nun gemachten Erfahrungen diesen Ritt auf alle Fälle  wiederholen.


Teilnehmende Pferde am Ostseeritt

Abasco H 19 Aveiro/Abdera Derbysieger der DDR 1986
Belenus H 6  Lomitas/Beaute  Derbysieger in Hamburg-Horn 1999 
Authocrathy W 13 Alzao/Addabub
Black & White W10   Al Hareb/Gay Surrender
Be my Song S 7    Dictators Song/Belle Naiade
Drinski W 11   Indian Ridge/Glas Y Dorlan
Kaminsky W11   Nordance/Kirsora
Lover Boy W8  Just a Flutter/LanternLover
Mecox W3    Ashkalani/Mondsee
Neuburg W20   Meinberg/Nana
Parisian Whirl W 13  Island Whirl/Parisian Honey
Silent Well S 5    Temporal/So Lala
Sabdariffa S 4   Dr Devious/Saninka
Tann H 8     Mujtahid/Taxodium
Timbre W 23    Tarim/Tokamaschi

p.s. ach ja, und bevor jemand fragt: "Lover Boy wurde mit einem LKW-Transporter zurückgefahren. Er braucht nur genug Platz und muß frei laufen dürfen, dann ist Fahren mit ihm kein Problem.“